Früher
Die Landwirte hatten ihre Anbaufläche für Zuckerrüben, genau wie heute auch. Es hatten aber auch viele einen eigenen Roder (Erntemaschine) bzw. in Gemeinschaft mit einigen Berufskollegen. Außerdem hatte ja jeder Betrieb mindestens einen Schlepper und natürlich Anhänger mit einem zulässigen Gesamtgewicht von ca. 6 t.
Während der Ernte kullerte also eine ganze Schar von Landwirten zu ihren Äckern und mit nassen und dreckigen Rädern zurück zur Ablieferung. Die Geschwindigkeiten der Fahrzeuge lag meist noch bei 25 km/h, was zwar das überholen leichter machte, das war´s dann aber auch mit den Vorteilen für den Rest der Bevölkerung.
Ansonsten haben sich die Straßen in Rutschbahnen und die Ortschaften in wahre Dreckslöcher verwandelt. Der endgültige Transport der Rüben geschah mit der Bahn. So wurde z.B. in Undenheim am Bahnhof eine Verladerampe installiert. Diese Rampe war in der Lage, mit Hilfe von Umlenkrollen und einem E-Motor mehrere Waggons hin und her zu bewegen. Die beladenen Fahrzeuge wurden dann komplett angehoben und geneigt, so das die Rüben in die Waggons fielen. Somit konnten auch Anhänger ohne eigene Kippvorrichtung genutzt werden. Man kann sich leicht vorstellen, wie langsam das ganze von statten ging. Der Zeitaufwand für jeden einzelnen Anbauer war erheblich.
Jetzt mag sich manch einer an die gute alte Zeit zurückerinnern, wo man viel Gelegenheit hatte um seine Erfahrungen auszutauschen oder einfach nur mal einen Plausch zu halten. Das kann sich aber heute wohl kaum noch jemand erlauben
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Entstehung
Im Winter 1987/88 kamen 3 Undenheimer Landwirte zur Landwirtschaftlichen Beratungsstelle in Mainz, heute ist diese in der SLVA in Oppenheim integriert. Die Bundesbahn wollte in Kürze die Strecke Bodenheim-Undenheim stillegen. Somit mußte der Transport der Zuckerrüben von der Schiene auf die Straße verlegt werden. Man machte sich vor allem über die Entwicklung der Kosten Gedanken. Schließlich hatte die Zuckerrübenfabrik bzw. die Südzucker AG den Transport vom Acker an die Bahn finanziell gefördert.
Das Befahren der Feldwege war ein weiteres "heißes Eisen". Man konnte sich den Verkehr von 40-Tonnern auf den Betonstraßen oder grünen Wegen schlecht vorstellen. Das konnte wohl kaum ohne Schäden von statten gehen. Ein weiteres Problem war die rückläufige Auslastung der eigenen Maschinen (Roder, Frontlader, Anhänger). Diese waren schliesslich für teures Geld gekauft worden. Man wollte herausfinden, welche Vor- oder Nachteile auf die Landwirte zukommen würden.
Auch der Berater betrat Neuland und wagte sich auf dünnes Eis. Die erforderlichen Daten für eine Wirtschaftlichkeitsberechnung mußten erst einmal sorgfältig zusammengestellt werden.
Die Kalkulation brachte ein positives Ergebnis.
Dann kam die große Frage: Wer soll den Transport übernehmen.
Zur Auswahl standen Spediteure - wie auch vereinzelt praktiziert - oder eine bäuerliche Abfuhrgemeinschaft. Die Vorteile der bäuerlichen Abfuhrgemeinschaft lagen auf der Hand:
- Die Lohngelder für die Fahrer bleiben in der Landwirtschaft
- Eine sinnvollere Einteilung des Transports bei schlechter Witterung
- Mehr Rücksichtnahme auf die Feldwege - es sind ja die eigenen
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Versammlungen
Im Winter 1988/89 wurden beide Kalkulationen - Umstellung auf Feldrandabholung und bäuerliche Abfuhrgemeinschaften - den Zuckerrübenpflanzern in den für eine solche Abfuhrgemeinschaft in Frage kommenden Gemeinden Friesenheim, Hahnheim, Harxheim, Köngernheim, Lörzweiler, Mommenheim, Schwabsburg, und Selzen dargestellt und diskutiert.
Daneben fand im Februar 1989 zu dem Thema bäuerliche Abfuhrgemeinschaft eine Informationsveranstaltung von der Südzucker AG in Undenheim statt. Danach zeichnete sich ab, daß trotz einer gewissen Skepsis, die bei einer solchen radikalen Umstellung des Rübentransports wohl ganz normal ist, die Zuckerrübenpflanzer an der Gründung einer bäuerlichen Abfuhrgemeinschaft interessiert waren. Daraufhin fanden umgehend im kleinen Kreis umfangreiche Besprechungen statt, um rechtliche ( u.a. die Haftungsfrage), steuerrechtliche und organisatorische Fragen zu klären.
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Gründung
Am 13.03.1989 wurde in Hahnheim in der Gaststätte "Hahnheimer Knopf" die Landwirtschaftliche Gemeinschaft "Selztal GBR" gegründet. 151 Zuckerrübenpflanzer aus den 9 Gemeinden (siehe Versammlungen und Diskussionen) wurden Mitglied. Das waren 94% aller Rübenpflanzer, was sich aber nach einer Übergangszeit auf 100% erhöhte.
Als Geschäftsführer wurden gewählt:
- Organisation und Schriftverkehr : Werner Manz und Karl-Richard Huff
- Technik : Michael Schuldt und Berthold Schmitz
- Kaufmännischer Bereich : Hans-Richard Binzel und Reinhard Kappesser
Nach einigen Jahren schieden auf eigenen Wunsch aus:
- Michael Schuldt, Berthold Schmitz und Reinhard Kappesser
Aktuelle Besetzung:
- Organisation und Schriftverkehr : Werner Manz und Karl-Richard Huff
- Technik : Volker Curschmann (Maus) und Rainer Jung (LKW)
- Kaufmännischer Bereich : Hans-Richard Binzel
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Diskussionen
Nach der Gründungsversammlung ging die Diskussion in der Öffentlichkeit über die Verlagerung des Rübentransports von der Schiene auf die Straße erst richtig los. Angefangen von politischen Gruppen, über BUND bis hin zu dem Vertreter für die Erhaltung der Bundesbahn.
Sie alle meldeten sich zu Wort. Ein verbaler Höhepunkt war wohl die Androhung einer Klage gegenüber einem Geschäftsführer und anderen Gesellschaftern. Gerne wurde auch der schwarze Peter hin- und hergeschoben, ob die Bahn nicht mehr fährt, weil die Südzucker keine Aufträge vergibt, oder weil es sich für die Bahn nicht mehr lohnt. Selbst 2 Jahre später bedauerte ein bekannter Bundestagsabgeordneter einer großen Volkspartei in der Allgemeinen Zeitung, das der Rübentransport auf die Straße verlegt wurde. - Ein gemeinsames Gespräch mit Ihm hat dann seine Meinung geändert.
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Investitionen
Unabhängig von der entbrannten Diskussion wurden Entscheidungen für die Beschaffung des Fuhrparks getroffen.
- 1 selbstfahrender Zuckerrübenlade- und Reinigungsgerät (die so genannte Maus)
- 5 LKW-Züge
- 1 gebrauchter Schlepper
- 1 Kehrmaschine
Nach 4 Jahren leidlicher Erfahrung mit der Maus von der Firma Unsinn wurde ein neues Gerät von der Firma Ropa beschafft. Auch die LKW-Flotte erwies sich als zu klein dimensioniert und wurde auf 7 Züge aufgestockt. Hinzu kam noch ein weiterer Schlepper, ein Wasserfaß und ein Mulchgerät.
Mittlerweile ist die Maus infolge Abnutzung durch eine neue ersetzt worden. Ebenso erging es einigen Anhängern und Zugmaschinen.
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